#16
Valloton fragt Valloton - Digital leben
Lorenz O. Valloton
Wie halten Sie es mit der digitalen Gerätschaft und der 24 Stunden Bereitschaft der Gegenwart?
Friedrich G. Valloton
Ich habe mich von den Zuckerbergschen Fesseln weitgehend befreit und meine totale Versklavung durch den Obst-Konzern irgendwann hingenommen und mittlerweile völlig verinnerlicht.
Lorenz O. Valloton
Wenn man Sie anruft ohne in ihrem Adressbuch gespeichert zu sein - was passiert dann?
Friedrich G. Valloton
Das hängt davon ab, ob der Anrufer auf meiner Mobilnummer oder auf der Nummer anruft, die man früher als Festnetz bezeichnet hat, also einer ortsgebunden Nummer etwa in Wien. Wenn er auf der Mobilnummer anruft und die Nummer nicht in meinem Telefonbuch gespeichert ist, nehme ich nicht ab. Wenn man auf meiner Festnetznummer anruft, wird man, sofern der Anrufende über einen Funken Anstand verfügt und dies nicht vor 11 Uhr und nicht nach 16 Uhr tut, werktags mit Frau Sofia, meiner über alle Maßen geschätzten Assistentin verbunden.
Lorenz O. Valloton
Das ist natürlich eine Luxussituation.
Friedrich G. Valloton
Ein Luxus wäre, würde man mit Anrufen gar nicht erst behelligt werden und sämtliche Korrespondenz per Brief oder allenfalls Fax erfolgen.
Lorenz O. Valloton
Besitzen Sie noch eines, ein Faxgerät?
Friedrich G. Valloton
Ja, ich musste es allerdings kürzlich außer Betrieb nehmen, aus technischen Gründen, die zu erläutern den Rahmen sprengen würde und bei mir und vermutlich auch Ihnen für Kopfschmerzen sorgen würde. Es ist ein herber Verlust, das kann ich Ihnen sagen.
Lorenz O. Valloton
Sie verwenden aber ein Smartphone, das Sie nicht abnehmen, wenn jemand, dessen Nummer sie nicht kennen, anruft.
Friedrich G. Valloton
Ja, ja, das verwende ich. Mit zunehmendem Widerwillen. Man wird ja jeglicher Unschuld und Ahnungslosigkeit beraubt. Jede Information und Desinformation, worüber auch immer, ist allzeit abrufbereit, und man lässt sich viel zu oft hinreißen, davon Gebrauch zu machen. Es ist ein Elend. Es ist eine Maschine zur Vernichtung der Unschuld, der Romantik und vor allem der Fantasie!
Lorenz O. Valloton
Es gibt auch Vorteile.
Friedrich G. Valloton
Zweifellos. Aber wir erkaufen sie um einen zu hohen Preis.
Lorenz O. Valloton
Sie sprachen anfangs von Fesseln, die uns Herr Zuckerberg anzulegen versucht und von denen sie sich weitgehend befreit hätten.
Friedrich G. Valloton
Ebenfalls Vernichtungsmaschinen. Aber diese zerstören nicht bloß die Fantasie, sondern unsere Gesellschaften und die gesamte Welt. Ich will die Namen nicht in den Mund nehmen, nicht die amerikanischen, nicht die chinesischen, nicht irgendeinen. Abdrehen, den Stecker ziehen. Ein für allemal.
Lorenz O. Valloton
Ist das nicht ein wenig radikal.
Friedrich G. Valloton
Radikal ist, was da passiert. Sie abzudrehen sehe ich als das gelindere Mittel. Man kann solche Instrumente nur gewähren lassen unter einem international gültigen und streng exekutierten, demokratisch und rechtsstaatlich generierten Regulativ. Davon kann ja wohl nicht ansatzweise die Rede sein.
Lorenz O. Valloton
Und ihre persönliche Unterjochung durch Cupertino?
Friedrich G. Valloton
Ich weiß keinen Ausweg. Und ich bin verführbar, wie alle anderen auch. Ich benutze deren hübsch gestaltete Geräte um nicht im digitalen Abseits zu landen, das mittlerweile ja ein ganz reales Abseits ist. Was bleibt mir übrig, als mich auszuliefern? Ich weiß es nicht.
Lorenz O. Valloton
Auch in diesem Universum ist man ständig gezwungen upzudaten um nicht im von Ihnen genannten Abseits zu landen. Zunächst die Software, dann die Hardware. Das geht häufig mit der Entsorgung an sich funktionstüchtiger Geräte einher, die vor nicht langer Zeit ein kleines Vermögen gekostet haben.
Friedrich G. Valloton
So ist es. Ich habe aufgegeben, das mit mir zu diskutieren. Wenn etwas nicht mehr flüssig läuft, wenn Aktualisierungen nötig werden um im und am digitalen Leben zu bleiben, dann bitte ich Frau Sofia, das Nötige zu veranlassen.
Lorenz O. Valloton
Neukauf?
Friedrich G. Valloton
Gehörte der Obst-Konzern einem einzigen Menschen, er hätte allein durch meine Anschaffungen der letzten nunmehr dreißig Jahre für alle Zeiten ausgesorgt.
Lorenz O. Valloton
Wie lesen Sie Zeitungen? Und Bücher?
Friedrich G. Valloton
Papier und nichts als Papier. Ich habe alles probiert. Am Ende bleibt Papier. Sie sind weniger streng, wie ich weiß.
Lorenz O. Valloton
Ja, tatsächlich. Ich verwende immer öfter einen e-Reader eines Unternehmens, das sehr erfolgreich und federführend an der Zerstörung des lokalen Handels beteiligt ist.
Friedrich G. Valloton
Sie wissen, wie ich dazu stehe.
Lorenz O. Valloton
Und vice versa. Über den Handel müssen wir ein gesondertes Gespräch führen. Wir hätten da ein paar Ideen, nicht wahr?
Friedrich G. Valloton
Nicht bevor eine Paywall in der Dimension der chinesischen Mauer errichtet ist. Unsere Ideen in dieser Angelegenheit sind, wenn Sie die richtigen Rezipienten finden, pures Gold wert.
Lorenz O. Valloton
Sie meinen nicht, dass andere auch schon darüber nachgedacht haben, schlimmer noch, unsere Ideen auch schon hatten?
Friedrich G. Valloton
Hätte das jemals in der Geschichte jemanden gehindert, seinen Ideen zur Verwirklichung zu verhelfen, säßen wir in Höhlen und jagten Tiere mit Speeren.
Lorenz O. Valloton
Punkt für Sie.
Friedrich G. Valloton
Lassen Sie uns jetzt ganz analog per Handzeichen zwei Martinis bestellen. Sehen und staunen Sie, mein Lieber.